Saal 10
Graphisches Kabinett (wechselnde Sonderausstellungen)
Liebe am Abgrund -
Edvard Munch, Max Klinger und das Drama der Geschlechter
19.06.-20.09.2020
Betrachtet man Werke von Edvard Munch und Max Klinger, so möchte man sie spontan unterschiedlichen Künstlergenerationen zuordnen. Tatsächlich aber war der Norweger nur knapp sieben Jahre jünger als der Deutsche.
Beide haben bedeutende symbolistische Werke geschaffen, und beide waren große Graphiker. Auch befassten sich beide intensiv mit dem diffizilen Verhältnis der Geschlechter, das sich Ende des 19. Jahrhunderts zu einem bestimmenden Thema in der Kunst entwickelt hatte. Ihre unterschiedlichen Kunstauffassungen und Bildsprachen aber haben dazu geführt, dass Munchs Wahlverwandtschaft zu Klinger lange Zeit übersehen wurde.
Die Ausstellung zeigt Klingers Radierzyklus „Ein Leben“ (Opus VIII, Berlin 1884), der schlaglichtartig das Schicksal einer Frau seiner Zeit beschreibt. In jungem Alter geht sie eine leidenschaftliche Liebesbeziehung ein, wird jedoch verlassen und gleitet in die Prostitution ab. Ihr Leben als gesellschaftliche Außenseiterin endet im frühen Tod. Klinger rahmte die Folge mit Reflexionen zum Thema des Sündenfalls und zur christlichen Nächstenliebe.
Eingestreut in diesen Zyklus sehen Sie Werke von Edvard Munch, die zum Teil eine bemerkenswerte motivische Nähe zu Klinger aufweisen. Der Norweger lernte die Druckgraphik des Deutschen vermutlich schon 1880 in einer Ausstellung in Kristiania, heute Oslo, kennen; bis 1909 nahm er Motivanleihen bei Klinger. In seinem Streben, moderne Seelenzustände in sprechende Seelenbilder zu fassen, war Munch offensichtlich fasziniert von Klingers Gedankenkunst und dessen Darstellungen von Liebe, Angst und Tod.