Saal 9
Moral im Rathaus
Unter dem Wandanstrich des Kölner Rathauses entdeckte man 1859 diese Fragmente von Wandmalerei. Sie befanden sich – wie jetzt hier – an einer Nordwand. Ihren einstigen Anbringungsort können Sie vom Fenster aus sehen: Es handelt sich um den später als Hansasaal bezeichneten großen Ratssaal des Rathauses, einst Gerichts- und noch heute Repräsentationssaal. Er wurde um 1330 errichtet und im Zweiten Weltkrieg größtenteils zerstört. Im Spätmittelalter war es einer der prächtigsten deutschen Profanräume. Die Schauwand an seiner Südseite zeigt Skulpturen der so genannten Neun Guten Helden. Diese heidnischen, jüdischen und christlichen Helden galten als Vorbilder für ehrenwertes Leben und weise Regierungsführung. Den bürgerlichen Kölner Ratsherren dienten sie gleichsam als – legendäre – Ahnengalerie.
Eine ähnliche politische Funktion erfüllte die Malerei auf der Nordseite des Saales, die sich an den Längswänden fortsetzte. Wie der Rechtshistoriker Stephan Altensleben herausfand, zeigten sie so genannte „Autoritäten“: vor allem weise Männer der heidnischen Antike und des Alten Testaments, die allesamt mit Spruchbändern ausgestattet waren. Ihre Sprüche bezogen sich auf politische Tugenden (Weisheit und Gerechtigkeit) sowie Grundsätze einer guten Regierung. Die Nordwand zeigte außerdem ein Gespräch zwischen dem König und den sieben Kurfürsten (zur Wahl des römisch-deutschen Königs zugelassene weltliche und geistliche Fürsten). Gegenseitig erteilten sie sich weise Ratschläge.
An Aktualität haben die Kurfürstenreime, Autoritätensprüche und Stadtregimentslehren aus dem spätmittelalterlichen Kölner Rathaus heute nicht verloren.