Saal 9
Chronik eines vermarkteten Martyriums
Die Legende der heiligen Ursula war ein „Bestseller“ des Mittelalters. Dieser Bilderzyklus erzählte sie auch Menschen, die geschriebene Texte nicht lesen konnten. Jeweils drei Bilder sind der Kindheitsgeschichte der Heiligen und der Brautwerbung des heidnischen Königssohnes Ätherius gewidmet. Die folgenden sechs Bilder zeigen die Pilgerreise der Ursula und ihrer Gefährtinnen von England nach Rom. In den letzten drei Gemälden werden die Rückreise der frommen Schar und ihre Ermordung in Köln durch die Hunnen geschildert.
Dass sich im Gebiet der romanischen Kirche St. Ursula in Köln ein Jungfrauenmartyrium ereignete, bezeugt dort eine spätantike Inschrift. Im 10. Jahrhundert kam die Zahl Elftausend in Umlauf. Spekulationen über eine derart große Schar von Märtyrerinnen erhielten nun Nahrung durch Grabungen auf dem „Ursula-Acker“, einem riesigen römischen Gräberfeld, das einst vor den Toren der Stadt angelegt worden war. Die intensivste und systematischste Grabungstätigkeit begann wohl mit dem Bau der neuen Kölner Stadtmauer ab 1106. In den folgenden Jahrhunderten wurden angebliche Gebeine der Ursula und ihrer GefährtInnen in viele Gegenden Europas gebracht, von Riga bis Madrid. 1393 musste gar ein Exportverbot verhängt werden. Meist waren diese Reliquientransporte (Translationen) Teil von Kirchen-, Ordens- oder Staatspolitik. Durch das Ausstellen von Reliquien konnte aber auch „fundraising“ – etwa für Bautätigkeit in Klöstern – betrieben werden.
Unser Bilderzyklus schmückte einst die Innenseite von Deckeln großer Reliquienkästen, wohl im Kölner Makkabäerkloster. Besonders an Festtagen wie St. Ursula (21. Oktober) wurde der Inhalt dieser Truhen gezeigt und vorbeiströmenden Pilgern anhand der Bilder auf den geöffneten Deckeln erläutert – wie heute bei einer Museumsführung …