Raum 1
1622 | GERRIT VAN HONTHORST (Utrecht 1592 – 1656 Utrecht)
Die Überwältigung der Sinne
Schillernd wie die Epoche selbst ist auch die Bedeutung des Wortes „Barock“. Abgeleitet vom Portugiesischen „barocca“, der unregelmäßig geformten Perle, wurde der Begriff zum Sinnbild für Opulenz, lebensfrohe Sinnlichkeit und pompöse Prachtentfaltung. Im 18. Jahrhundert tauchte er erstmals in Verbindung zur Kunst auf. Im 19. Jahrhundert wurde „barock“ mit „schwülstig“ und „überladen“ gleichgesetzt und gar zum Schimpfwort.
Historisch war der Barock (ca. 1580 – 1750) eine Zeit der großen Gegensätze: Höfischer Prunk und bürgerlicher Wohlstand, die Entdeckung der Welt, bahnbrechende Erfindungen und eine nie dagewesene kulturelle Blüte auf der einen Seite, Krieg, Glaubenskämpfe, Naturkatastrophen, Seuchen und Hungersnöte auf der anderen. Das Bewusstsein der Vergänglichkeit alles Irdischen schwebte im Guten wie im Bösen über der Epoche. Mahnungen zu tugendhafter Mäßigung finden sich ebenso wie Sinnbilder purer Lebensfreude. Man bedachte das memento mori (Gedenke des Todes) und frönte dem carpe diem (Lebe den Tag). All diese Aspekte spiegeln sich auch in der bildenden Kunst der Zeit.
Erzählungen aus der antiken Literatur und der Bibel liefern das Drehbuch für dramatische und lustvolle Bildgeschichten. Die Maler inszenieren sie auf ihren Leinwänden wie auf einer Bühne, theatralisch und großformatig. Der drastische Horror oder die erhabene Schönheit der Motive sollen den Betrachter erschüttern und bewegen.
Hand in Hand mit zunehmend bürgerlichen Auftraggebern entdecken die Künstler neue Motive und Gattungen. Die dingliche Welt wird zum selbständigen Bildgegenstand. Landschaften und Stillleben breiten die Vielfalt und Pracht der Schöpfung aus. Täuschend echt, mit flüssigem Pinsel und schmelzenden Farben ahmen die Maler die Natur nach.
Inbegriff des Barock stellt die flämische Malerei des Goldenen Zeitalters dar, der dieser Saal gewidmet ist. Daneben zeigt er Künstler des 16. Jahrhunderts, die den berühmten Barockmeistern Rubens, van Dyck oder Jordaens den Weg bahnten.